«Wir flogen an den Brettern»
«SSZ», Markus Angst: Nach 36-jähriger Abwesenheit spielt Nimzowitsch 2022 wieder in der Nationalliga A. Welche Bedeutung hat der Aufstieg für Ihren Verein?
René Rüegg: Es gibt im Klub nur noch wenige, die sich an die Zeit erinnern als wir im A spielten. Umso schöner für alle anderen der rund 70 Mitglieder, dass sie das jetzt erleben dürfen. Nur schon in der Nationalliga B zu spielen, ist in einer Stadt mit mehreren starken Schachklubs ein Muss. Junge Spieler werden immer einen Schachklub wählen, bei dem sie die Möglichkeit haben, sich nach oben zu orientieren. Und das vorrangige Ziel eines Schachklubs muss es sein, jungen Spielern eine attraktive Schachkarriere zu ermöglichen. Mit Trainings, mit gutem Groove und eben mit der Chance zuoberst mitzuspielen.
War der Aufstieg Ihr erklärtes Saisonziel?
Wie schon gesagt ist es auch cool in der Nationalliga B zu spielen. Doch bereits nach den ersten gewonnenen Begegnungen erreichten wir einen Punkt, an dem jetzt vergleichsweise der FC Zürich steht: Niemand will vom Gewinn der Meisterschaft reden und doch kommt man ihm immer näher.
Nach Ihrer Rückkehr aus der 1. Liga landeten Sie 2019 auf dem 7. Platz der NLB-Westgruppe. Was lief dieses Jahr besser?
Unsere Saison 2019 begann verheissungsvoll, bekam aber einen Knacks nach der desaströsen 7 zu 1 Niederlage gegen Mendrisio. 2021 dagegen waren wir viel motivierter unterwegs und die Spieler wuchsen über sich hinaus. Eine Superstimmung hatte die verstärkte Mannschaft erfasst. An dieser Stelle möchte ich den jungen Mannschaftsleiter Arthur Tönz hervorheben, der die Spieler zu motivieren wusste und sie in den Einladungen mit einem herzhaften «let’s kick asses» heiss machte.
Entscheidend war, dass Sie in der 7. Runde Ihren schärfsten Rivalen Mendrisio 5:3 bezwangen. Wie haben Sie diesen Spitzenkampf erlebt?
Mendrisio kam sehr stark mit einem ELO-Schnitt von über 2330 nach Zürich. Aber dieses Mal waren sie unserem frischen und aggresiven Stil nicht gewachsen. An Brett 2 gewann Viennot gegen den viel stärkeren Bellini. Und an den hinteren Brettern wiederholte sich das mit Siegen von Drechsler, Bajaktari und Nabavi. Wir flogen an den Brettern, die anderen sassen.
Wie würden Sie Ihre Mannschaft charakterisieren?
Seit ich bei Nimzowitsch bin, habe ich noch nie eine so mitreissende Mannschaft erlebt. Nicht nur an den Spielrunden, sondern auch bei den jeweils am Montag folgenden Analysen mit Thomas Luther und Grossbildschirm zeigte sich das. Wenn nach einem Zweirunden-Wochenende am folgenden Montag die Hütte wieder voll ist und und man vier Stunden miteinander analysiert, muss schon einiges richtig laufen in der Mannschaft und im Klub.
Werden Sie sich für Ihr NLA-Abenteuer verstärken?
Ja, das müssen wir wohl, um oben zu bleiben. Wir halten zurzeit nach starken, hungrigen Spielerinnen und Spielern Ausschau, die zu unserem Klub und zu unserer Mannschaft passen.
In den beiden letzten Saisons stiegen die Neulinge jeweils auf direktem Weg wieder aus der NLA ab. Für wie realistisch beurteilen Sie Ihre Chancen, den sofortigen Wiederabstieg zu vermeiden?
Man wird ja wohl auch ein paar Spiele gewinnen oder mindestens Unentschieden spielen. Spass beiseite. Es ist keine leichte Aufgabe im Oberhaus zu bleiben. Ich denke aber, dass man mit einer Mannschaftsstruktur, die an den hinteren Brettern stark aufgestellt ist, viel erreichen kann.
Wagen Sie einen Tipp, auf welchem Rang Nimzowitsch die NLA-Saison 2022 abschliessen wird?
Wenn das Sprichwort «Wer wagt gewinnt!» zutrifft, sage ich mal wir werden nicht absteigen.